Am 14. Mai findet die mit Spannung erwartete Wahl in der Türkei statt. Im Ausland konnten Wahlberechtigte bis einschließlich Dienstag (9. Mai 2023) bereits im Vorfeld ihre Stimme abgeben. In Deutschland zeichnete sich unter den 1,5 Millionen Menschen mit türkischem Pass eine hohe Wahlbeteiligung ab. Umstritten ist diesbezüglich allerdings der damit einhergegangene Wahlkampf hierzulande.

So haben Erdogan-Wahlplakate in Nürnberg etwa zu einer Diskussion im Umgang mit der türkischen AKP geführt. In diesem Zuge gerät nun auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder in die Kritik. Dem CSU-Vorsitzenden wird teils unterstellt, mit Blick auf die anstehende Wahl in der Türkei womöglich Schützenhilfe für Recep Tayyip Erdogan zu leisten. Nach 20 Jahren an der Macht muss der türkische Präsident um seine Wiederwahl fürchten. 

Söder in Nürnberger Ditib-Moschee zu Besuch: Erdogan-Lobbyisten veröffentlichen gemeinsames Foto

Im Netz veröffentlichte Fotos zeigen Söder bei einer Veranstaltung in der Ditib-Moschee in Nürnberg. Die Aufnahmen stammen vom 1. April 2023. Mit Ex-Ministerpräsident Günther Beckstein und Andreas Krieglstein, dem Vorsitzenden der Nürnberger Stadtratsfraktion, nahmen an diesem Tag neben Söder weitere CSU-Politiker an dem Fastenbrechen in der Moschee teil.

Das Brisante: Dabei waren auch Vertreter der sogenannten Union Internationaler Demokraten (UID) anwesend. Diese gilt als Lobby-Organisation der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP des türkischen Präsidenten Erdogan. Entsprechende Bilder mit Söder und Co. aus der Nürnberger Ditib-Moschee wurden vom nordbayerischen UID-Ableger in den sozialen Medien veröffentlicht. Die Problematik des Ganzen: Die UID wird seit geraumer Zeit vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Laut Verfassungsschutz hat die UID unter anderem zum Ziel, "kritischen Tönen gegenüber der politischen Entwicklung in der Türkei zu begegnen" und politischen Einfluss auf die türkischen Gemeinden in Deutschland zu nehmen. 

Auch an der Ditib selbst gibt es immer wieder Kritik. In regelmäßigen Abständen werden Vorwürfe gegen den Verein erhoben. Die Ditib ist die größte sunnitisch-islamische Organisation in Deutschland. Ihr wird mitunter eine zu enge Vernetzung mit der türkischen Regierung unterstellt. Teilweise ist gar von einem "verlängertem Arm" von Erdogans AKP die Rede. Kritiker fürchten derweil, dass die Türkei bei einer Wiederwahl Erdogans vollends in die Autokratie abgleiten könnte.

Welche Rolle spielt die CSU im Türkei-Wahlkampf? Vorsitzender von Türkischer Gemeinde gibt Einschätzung

"Ditib ist aber nicht gleich Ditib", betont Bülent Bayraktar, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in der Metropolregion Nürnberg (TGMN), im Gespräch mit inFranken.de. Die Ditib-Gemeinde in Nürnberg etwa sei bis vor wenigen Jahren "relativ liberal" aufgestellt gewesen. "Dann hat sich der neue Vorsitzende zur AKP positioniert." Gemeint ist Haslan Aslan. Dieser macht aus seiner Sympathie zu Erdogan in der Öffentlichkeit keinen Hehl. "So einen Führer dürfen wir nicht im Stich lassen", schrieb der Nürnberger Ditib-Chef am 26. April auf Facebook. "Er hat zuletzt offenkundig zur Wiederwahl von Erdogan aufgerufen", erklärt Bayraktar. 

Doch welche Rolle spielt die CSU in Hinblick auf die Türkei-Wahl? Gewährt Söder Erdogan tatsächlich Schützenhilfe? "Man kann nicht direkt von Unterstützung sprechen", sagt Bayraktar. Dass deutsche Parteien teils auch für Parteien in der Türkei werben, sei demnach nichts Außergewöhnliches. In der Tat spricht etwa die Bayern-SPD mit Blick auf die anstehende Abstimmung auf Facebook von einer "Schicksalswahl". In Zusammenhang mit der CHP, der größten Oppositionspartei, ist gar von einer "sozialdemokratischen Schwesterpartei" die Rede. 

Die Einladung zum Fastenbrechen anzunehmen, sei an sich nichts Verwerfliches. Dies mache der Ministerpräsident bereits seit Jahren. "Ich sehe aber ein Problem im Instrumentalisieren. Söder wurde instrumentalisiert." Dass der CSU-Chef von UID für deren politische Ziele eingespannt worden sei, sei Söder dabei vermutlich gar nicht bewusst gewesen. "Aber so entstand das Gefühl einer AKP-Unterstützung jetzt kurz vor der Wahl", sagt der TGMN-Vorsitzende. Zwar könne man nicht davon sprechen, dass die CSU die AKP proaktiv unterstütze. Gemeinsame Bilder mit Akteuren der vom Verfassungsschutz unter Beobachtung stehenden UID hält er dennoch für fragwürdig. "Manche sagen: Herr Söder macht die UID dadurch salonfähig." 

"Mehr als opportunistisch": Türkei-Experte empört über Nähe zwischen CSU- und AKP-Vertretern

Der Essener Politikwissenschaftler und Türkei-Experte Burak Çopur reagierte mit Empörung auf die mutmaßliche Nähe zwischen CSU- und AKP-Vertretern. "Früher habe ich gedacht, dass solche Zusagen zu Einladungen von türkischen Islamisten wie UID und türkischen Rechtsextremisten wie die Grauen Wölfe auf einer Naivität und Unkenntnis von deutschen Politikern beruhen", erklärte er gegenüber der Frankfurter Rundschau. Nachdem aber die Öffentlichkeit ausgiebig darüber informiert worden sei, wie gefährlich solche Gruppen sei, halte er ein solches Vorgehen wie im Fall von Söder, Beckstein und Krigelstein "für mehr als opportunistisch"

Eine etwaige politische Intention schließt auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in der Metropolregion Nürnberg nicht aus. "Dass Herr Söder gern in konservativen Kreisen um Wählerstimmen buhlt, ist ja bekannt - sowohl in der Mehrheitsgesellschaft als auch unter Migranten", sagt Bülent Bayraktar, der die TGMN als "politisch neutral" bezeichnet. "Diesen Fauxpas, sich mit UID-Vertretern ablichten zu lassen, kann ich nur nicht begreifen." Laut seiner Auffassung hätte der Vorfall ohne die Debatte um die türkischen Wahlplakate in Nürnberg allerdings keine allzu hohe Welle geschlagen.

Eine Rolle bei Söders umstrittenen Fotos spielt womöglich nicht zuletzt die bayerische Landtagswahl im Oktober. Hofft der CSU-Spitzenkandidat insgeheim auf Wählerstimmen von Erdogan-Sympathisanten? "Es könnte sein, dass Söder nahe gelegt worden ist, dass die Wähler in konservativen Kreisen zu suchen sind", sagt Bayraktar mit Blick auf die hierzulande stimmberechtigten Menschen mit türkischen Wurzeln.

Nach Vorwürfen gegen Ministerpräsident Söder: Bayerische Staatskanzlei bezieht Stellung

Die Bayerische Staatskanzlei verteidigt indessen Söders Besuch in der Nürnberger Ditib-Moschee Anfang April. "Der Ministerpräsident wurde zu diesem interreligiösen Fastenessen eingeladen, an dem auch zahlreiche andere Spitzenrepräsentanten teilgenommen haben - darunter Ministerpräsident a.D. Dr. Günther Beckstein, hochrangige Vertreter anderer Parteien wie der SPD, der Kirchen oder gesellschaftlicher Gruppen", erklärt ein Sprecher der Staatskanzlei gegenüber inFranken.de.

Der breit angelegte Dialog mit den im Freistaat Bayern beheimateten Menschen und Organisationen gehöre zu den grundsätzlichen Aufgaben und Pflichten eines Ministerpräsidenten. "Im Zentrum des Besuchs stand die Respektsbekundung und das Mitempfinden für die Opfer des dramatischen Jahrhundert-Erdbebens im türkisch-syrischen Grenzgebiet." Bei der Katastrophe am 6. Februar 2023 hatte es über 59.000 Tote und mehr als 125.000 Verletzte gegeben.

"Ganz Bayern brachte und bringt seine Solidarität mit den Opfern dieser unbeschreiblichen Verwüstung zum Ausdruck, die sich auch in zahlreichen Spenden und Hilfsaktionen zeigt", teilt die Bayerische Staatskanzlei inFranken.de schriftlich mit. Fragen zu den besagten UID-Vertretern und Söders Einstellung gegenüber Recep Tayyip Erdogan und dessen Lobbyorganisation in Deutschland bleiben indes unbeantwortet.